Das 22. FORUM Wärmepumpe war geprägt von spannenden Vorträgen und konnte so den Teilnehmenden die derzeitige Dynamik in der Wärmepumpenbranche aufzeigen. Zukunftsweisenden Perspektiven über drei Themen sind dabei bei vielen auf eine gute Resonanz gestoßen. Diese waren: Dynamische Stromtarife, Wärmepumpenlösungen für Mehrfamilienhäuser und der europäische und globale Blick auf die Wärmewende. In diesem Blog werden die Keynotes von Anna von Bremen, Matthias Steiner und Jan Rosenow vorgestellt.
Chancen für Verbraucher und Netze durch dynamische Stromtarife
Anna von Bremen referierte über die Bedeutung dynamischer Stromtarife für die Wärmepumpen-Nutzung. Sie selbst berät ihre Mandanten bei Osborne Clarke Germany insbesondere zu Fragen des Netzzugangs, der Entflechtung, des Energiehandels und der Energieversorgung. Im Bereich der Digitalisierung der Energiewirtschaft gehört sie zu den wenigen Experten im Bereich Smart-Metering. Laut von Bremen sei „2025 ein interessantes Jahr für die dynamischen Tarife sowie die netzdienliche Steuerung“. Denn ab dem 1. Januar 2025 sind große Stromlieferanten verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten und Verbraucher über die Vor- und Nachteile aufzuklären. Die daraus resultierende marktliche Optimierung beschreibt von Bremen in drei Fällen.
Der erste ist die Lastverschiebung als „Standard-Case“ für das Home Energy Management System (HEMS) oder der smarten Wallbox. Diese helfen die Ladung, wie zum Beispiel von E-Autos, in die günstigeren Nachtstunden zu verschieben. So kann es mit der Zeitverschiebung zu Kostenersparnissen in den Hochlastzeiten kommen. Die zweite Lösung ist die Eigenverbrauchsoptimierung. In diesem Szenario wird überschüssiger Solarstrom optimal genutzt. Das kann in einen Haushalt mit einer Erzeugungsanlage und einem Eigenverbrauchs-Algorithmus ermöglicht werden. Das Ziel des Algorithmus ist es, möglichst viel des Solarstroms zu verbrauchen. Erst wenn der Haushaltstrom gedeckt ist und die Batterien gefüllt sind, wird der überschüssige Strom in die Netze eingespeist. Die dritte Option ist die marktliche Optimierung, diese schaut auf das gesamte System und kann für das Thema Netz-Entlastung interessant sein. Negative Strompreise können aktiv genutzt werden, was Flexibilität im Netz fördert und gleichzeitig Kosten reduziert. Zudem kann man durch den gesteuerten Verbrauch gleichzeitig noch Geld bekommen, wenn man negative Strompreise nutzt.
Von Bremen unterstrich zudem das Potenzial virtueller Kraftwerke (VPPs) und Business Cases von Regelreservemärkten (Märkte, die von Netzbetreibern ausgeschrieben werden, um Systemdienstleistungen einzukaufen). Diese könnten flexible Ressourcen bündeln, um Netze zu stabilisieren und Strompreise für den Verbraucher zu optimieren. Von Bremen erklärt den Business Case in einem dreiteiligen Ablauf. Der erste Schritt ist die Gebotsabgabe für eine Regelleistung, daraufhin passiert im nächsten Schritt der Handel der ersten Spreads Da & C-ID, dieser resultiert dann in einem kontinuierlichen Handel im Intraday Markt.
Zudem gibt Sie Einblicke in Arbitrage-Trading mit negativen und positiven Energiepreisen. Diese Trades würden funktionieren in Form eines Day-Ahead Handels. Somit könnte der Trader der VPP`s vermarkteten Strom verkaufen, den er gar nicht besitzt und darauf wetten, dass die ganz kurzfristigen Preise vor der Lieferung billig werden. Diese vom Trader getätigte Wette wird von einem Algorithmus berechnet. Wenn es gut geht, kann der Trader diese Wette immer wieder machen und dieselbe Viertelstunde Strom immer wieder handeln. In dem Fall, dass es nicht so funktioniert und die kurzfristigen Preise hoch sind, würde der Trader Verlust machen. Jedoch kann er in dem Fall Speicher oder die Wärmepumpe aktivieren (oder ein anderes flexibles Asset). Diese Maßnahmen würden erstmal nur virtuell passieren.
Von Bremen verweist damit in ihrem Vortrag darauf das „Speicher und Flexibilität im System erstens wichtig sind, aber mit den auch zweitens relativ viel Geld verdient werden kann.“
Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus: Individuelle Planung für jedes Projekt
Matthias Steiner von iDM zeigte praxisnahe Lösungen für den Ersatz von Gasetagenheizungen in Mehrfamilienhäusern durch Wärmepumpen. Laut Steiner sei jedes Projekt ein Prototyp, der eine individuelle Planung erfordert.
Seit 1977 setzt iDM als österreichischer Heizungswärmepumpenhersteller auf Forschung, Entwicklung und Produktion. Mit 900 Mitarbeitenden und einem breiten Produktportfolio bietet das Unternehmen Sole-, Wasser- und Luftwärmepumpen mit Leistungen bis zu 1500 kW an.
„Um Wärmepumpen ins Mehrfamilienhaus zu bringen, ist Planung das A und O,“
Matthias Steiner
Anders als bei einem Standardhaus bei dem oft Standardlösungen greifen, erfordert jedes Mehrfamilienhaus eine individuelle Planung. Dabei spielen Faktoren wie Montage, Integration, Schallschutz, Baurecht, Heizungsgröße, Stromanschluss und die Einbindung der Mieter in der Sanierungsphase eine wichtige Rolle.
Als eine Lösung für fehlende Heizraumgröße präsentiert Steiner auf dem 22. FORUM den Heizraum-Container. Dieses vorgefertigte System kann direkt an das Haus angeschlossen werden und verkürzt somit die Installationszeit. Jedoch müssen vor der Projektbeginn immer erst grundlegende Fragen geklärt werden. Zum Beispiel, ob es sich um ein Neu- oder Bestandsgebäude handelt und welche Wärmequelle zur Verfügung steht. Es muss geklärt werden, ob ein zentrales oder dezentrales System eingesetzt werden soll und wie hoch die erforderliche Heizwassertemperatur sein soll. Weitere Anforderungen über die Anzahl der Heizkreise und Trinkwarmwassertemperatur sollten ebenfalls vorab geklärt werden. So kann laut Steiner ein Projekt mit 30-50 Wohneinheiten bis zu 12 Monate beanspruchen.
Ein im Mehrfamilienhaus häufig genutzte Lösung für die Trinkwarmwassertemperatur ist eine Boosterlösung. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Wärmepumpe, die die vorgewärmte Temperatur von 35 Grad Celsius aus einem Heizspeicher auf bis zu 65 Grad Celsius anheben kann. Dadurch entsteht eine monovalente Wärmepumpenanlage, die ohne Heizstab auskommt. Damit können trotzdem hohe Trinkwarmwassertemperaturen sicherstellt werden.
Als ein Best-Practice Beispiel hob Steiner ein 4 Wohngebäude Projekt in Leipzig hervor. Die insgesamt 74 Wohneinheiten hatten eine Heizlastanforderung von173 kW und wurden mit 5 kompakten und modulierenden Luft-Wasser-Wärmepumpen ausgestattet. Diese Wärmepumpen mit natürlichem Kältemittel haben eine Gesamtleistung von 250 kW mit drei verschiedenen Pufferspeichern: einen Warmwasser-Pufferspeicher (6000 l), einem Kälte-Pufferspeicher (2000 l) und einem Heizwasser-Pufferspeicher (2000 l). Zusätzlich unterstützt eine Boosterwärmepumpe mit 50 kW zur Trinkwarmwasserbereitung. Eine Besonderheit des Projekts ist laut Steiner, dass das System auch einen Kühlbetrieb bei PV-Überschuss gewährleistet. Im Sommer 2024 wurde das Projekt fertiggestellt. Abschließend hob Steiner hervor, wie wichtig eine Betreuung während und nach der Umsetzung ist. Dies garantiere, dass man die Anlage später nochmal optimieren kann. Ein Monitoringsystem kann hierbei den Anlagenbetreiber unterstützen.
Die Vision Wärmewende vorantreiben – Internationale Einblicke
Jan Rosenow, Direktor beim Regulatory Assistance Project (RAP) und Berater der EU sowie der Internationalen Energieagentur (IEA), sprach bei seinem Vortrag die Dringlichkeit an, die Vision Wärmewende politisch voranzutreiben. Wärme sei der Elefant im Raum, an dem man nicht vorbeikomme, so Rosenow. Knapp die Hälfte des Energieverbrauchs fällt im Wärmebereich an. Dieses Bewusstsein müsse noch viel stärker in der deutschen Politik verankert werden.
Für Rosenow ist die Wärmepumpe die effizienteste Heiztechnologie. In Boden, Wasser und Luft stecke bereits mehr Energie, als benötigt wird. Diese Energie müsse lediglich transportiert und umgewandelt werden. Fossilfreier Strom spiele dabei eine zentrale Rolle. Im Jahr 2024 überstieg der Anteil von Wind- und Solarenergie erstmals den Anteil von fossilen Energieträgern in Europa.
Jedoch machte Rosenow auch auf den Nachholbedarf beim Wärmepumpenabsatz von Deutschland im europäischen Vergleich aufmerksam. Zusammen mit Polen und Großbritannien bildet Deutschland weiterhin das Schlusslicht. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, müssten europaweit noch 15 Millionen Wärmepumpen bis 2030 installiert werden. Ein wichtiger Treiber sei laut Rosenow das Preisverhältnis zwischen Strom und Gas.
Außerdem sieht Rosenow große Potenziale im Gebäudesektor aufgrund der Flexibilität bei Wärmepumpen. So könnten Verbraucher mit zeitvariablen Stromtarifen ihre Kosten erheblich senken. Rosenow sprach von einer möglichen Spitzenlastreduktion bis zu 50 Prozent. Dies würde die Integration erneuerbarer Energien in das Stromsystem erleichtern. Abschließend forderte Rosenow ein positives Narrativ für die Wärmepumpe. Es brauche mehr Erfolgs- und Heldengeschichten sowie Best-Practice-Beispiele für die Vision Wärmewende.
Weitere Informationen zu dem 22. FORUM gibt es in der Pressemitteilung: Jahrestagung FORUM Wärmepumpe: Parteien stellen energiepolitische Konzepte für das Wahljahr vor | Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V.